Was bedeutet Naturverbindung eigentlich und wie geben wir diese Verbindung weiter?
Zeit draußen zu verbringen ist kein Luxus oder Zeitverschwendung. Im Gegenteil: Es ist die Grundlage für eine gesunde Verbindung zur Natur – und diese Verbindung ist eine wesentliche Ressource, um nicht nur die Klimakrise zu verstehen, sondern auch die emotionale Kraft zu haben, ihr entgegenzutreten. Doch was bedeutet es eigentlich, mit der Natur verbunden zu sein? Ist es ein bestimmtes Gefühl, das uns überkommt, wenn wir im Wald spazieren gehen oder den Wind spüren? Oder ist es mehr eine innere Haltung, eine Lebenseinstellung, die wir bewusst oder unbewusst einnehmen?
Ich versuche dieses Gefühl der Naturverbindung wiederzufinden. Ich denke darüber nach, wenn ich den Wind auf unserer Terrasse spüre oder durch die stacheligen Gräser im Hinterland gehe. Die Verbindung zur Natur, die ich dabei erlebe, scheint oft eher passiv zu sein – sie ist nichtgreifbar. Eigentlich wird sie erst spürbar, wenn ich mit den Auswirkungen konfrontiert werde: Wenn der Wind den Müll auf dem Platz vor unserem Haus durcheinanderwirbelt, denke ich an die Tiere, die sich an Plastik verschlucken könnten. Ich werde wütend über die Menschen, die gedankenlos ihren Müll wegwerfen und von der Natur losgelöst diese Entscheidungen treffen – die un-verbunden agieren.
Diese Momente erinnern mich an die Zerbrechlichkeit unserer Umwelt – das ist meine Verbindung zur Natur. Aber wie fühlt sich die Natur an, wenn ich einfach nur da bin? Beim Spazierengehen, Gärtnern oder Schwimmen im Meer?
Manchmal zweifle ich: Wie kann ich anderen dabei helfen, eine Verbindung zur Natur aufzubauen, wenn ich sie selbst nicht immer klar erklären kann?
Der Autor Scott D. Sampson bietet eine Antwort auf diese Frage. In seinem Buch „How to Raise a Wild Child“ erzählt er die Geschichte der Menschheit so, dass sie greifbar wird. Er beschreibt nicht nur Fakten, sondern lässt uns spüren, dass wir Teil einer riesigen, kosmischen Geschichte sind. Wir sind nicht nur auf dieser Erde – wir sind aus dieser Erde, wir sind Sternenstaub. Sampsons Ansatz geht über reine Wissensvermittlung hinaus. Niemals könnte ich das so beschreiben wie er – ich hatte wirklich Gänsehaut beim Lesen. Er verwebt die Entstehung der Menschheit mit der Geschichte der Natur, was für mich zu einem wahren Aha-Moment führte: Unsere Verbindung zur Natur ist nicht nur etwas, das wir fühlen können, sondern etwas, das tief in unserer Existenz verwurzelt ist.
Die Große Geschichte und die verlorene Verbindung
Der Verlust der Verbindung zur Natur hat seinen Ursprung in einer viel tieferen Wunde. Sampson erklärt das mit dem Fehlen der Großen Geschichte. Die Geschichte, die unsere Urahnen noch am Lagerfeuer erzählten, wurde in unserer modernen Gesellschaft vergessen. Sie erinnert uns daran, woher wir kommen und dass wir ein untrennbarer Teil dieses Planeten sind.
Die Ureinwohner, egal auf welchem Kontinent, wussten das. Sie lebten im Einklang mit der Natur, weil sie die Große Geschichte ihrer Umgebung kannten und respektierten. Die Natur war nicht nur ein „Draußen“, das man besuchte – sie war ihr Lebensraum, ihr Zuhause. Diese Geschichten, diese tiefe Verbindung, sind in unserer heutigen Welt fast verloren gegangen.
Ich wage zu behaupten, dass unsere gegenwärtige Klimakrise tief in dieser verlorenen Verbindung verwurzelt ist. Menschen, die sich über Naturschutzprojekte lustig machen, die Insekten wie den Käfer, der angeblich Bauprojekte blockiert, ins Lächerliche ziehen, handeln so, weil sie die Natur nicht mehr als Teil ihrer eigenen Existenz begreifen. Der Käfer ist Teil dieser Großen Geschichte – genauso wie wir. Wenn wir diese Geschichte nicht fühlen, verlieren wir den Respekt vor allem, was uns umgibt.
Naturverbindung weitergeben
Aber wie lässt sich diese Geschichte wieder erzählen? Sicher nicht durch trockene Biologieunterrichtsstunden oder staubige Schulbücher. Die Natur lässt sich nicht im Klassenzimmer lehren – sie muss erlebt werden. Wie könnten wir eine Verbindung zur Natur aufbauen, wenn wir uns nie wirklich Zeit nehmen, sie zu erleben?
Zeit in der Natur zu verbringen ist deshalb kein Luxus oder Zeitverschwendung. Stattdessen sollten wir anfangen, diese Geschichte in der Natur selbst zu erzählen – draußen, unter einem Baum oder um ein Lagerfeuer. Vielleicht muss man die Sterne über sich sehen, um zu begreifen, dass wir aus demselben Staub bestehen, der die Welt um uns herum geschaffen hat.
Verbindung als Handwerkszeug für unsere Kinder
Das ist es, was wir unseren Kindern mitgeben müssen. Wenn wir möchten, dass sie eine tiefere Beziehung zur Natur aufbauen, müssen wir ihnen vorleben, wie man sich dieser Verbindung öffnet. Genau wie Bindung im sozialen Kontext der Schlüssel zu einem gesunden Aufwachsen ist, ist auch die Verbindung zur Natur eine Art Bindung, die sie stark macht.
Aber diese Verbindung muss gelebt werden, nicht nur gelehrt. Kinder lernen nicht durch trockene Erklärungen, sondern durch das, was sie erleben. Wenn wir gemeinsam die Natur entdecken, wenn wir Blätter berühren, Tiere beobachten, Marmeladen kochen oder Heilkräuter sammeln – dann geben wir ihnen die Werkzeuge an die Hand, die sie brauchen, um in einer sich verändernden Welt nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.