Wie unser Leben 2035 aussehen würde, wenn wenn wir die Klimakrise heute so behandeln würde, wie es notwendig ist.
Wir müssen nicht nur darüber nachdenken, was alles schief läuft. Sondern auch, was wir eigentlich wollen. Wir müssen wieder lernen zu träumen, um diese Träume Realität werden zu lassen. Wir brauchen mehr Utopien!
Deshalb:
Was wäre, wenn wir die Klimakrise so behandeln würden, wie es notwendig ist?
Wenn sie immer und in allen Lebensbereichen mitgedacht und erwähnt werden würde? Wenn die Schlagzeilen voll wären vom Klima, die Menschen darüber informiert werden, was sie tun können, was sie lassen sollen und um was es eigentlich geht (man glaube es nicht, aber ja, das Wissen fehlt vielen!)? Schilder würden wie in der Corona Pandemie aus dem Boden schießen mit Aufforderungen und Handlungsanweisungen, mit Regelungen und Anreizen – alles auf das Ziel ausgerichtet, klimaneutral zu leben. In allen Bereichen würde zu verantwortungsvollem Handeln aufgerufen werden.
Und das Leben, das sähe im Jahr 2035 so aus:
Klimaschutz ist als Staatsziel ins Grundgesetz festgesetzt. Eine ambitionierte, effektive und gerechte Klimapolitik wird strategisch umgesetzt.
Nachdem Kohleverstromung als verfassungswidrig erklärt wird, wird der Kohleausstieg umgesetzt, statt Gas und Atomstrom werden Sonne und Wind genutzt. Die regenerativen Energien sichern eine unabhängige Energieversorgung. Aus den ehemaligen Kohleregionen werden attraktive Seenlandschaften und Urlaubsziele.
Das größte Investitionsprojekt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs
Die Regierung ruft einen Klimafond aus, der sich aus Teilen der EEG-Umlage, einer Vermögensabgabe und -steuer und einer Steuer für Kohlendioxid und andere klimaschädliche Gase zusammensetzt.
Massive Investitionen in der Verkehrsinfrastruktur und Förderprogrammen für die Umstellung für industriellen Landwirtschaftsbetrieben und eine CO2-neutrale Wirtschaftsweise für Unternehmen sind dadurch möglich. Gleichzeitig werden rurale Räume durch Museen, Parks und kulturelle Einrichtungen attraktiver.
Vorhandene Instrumente werden endlich eingesetzt: Grüner Wasserstoff wird zum Energielieferanten der Industrie, es erfolgt eine Abkehr von Verbrennungsmotoren zu preiswerten, stark subventionierten E-Autos. Dass es mal eine Debatte ums Tempolimit gab ist vergessen, so normal ist es.
Der Ausbau von Pendlerparkplätzen und die Einführung einer Zwei-Passagier-Regelung für Verkehr soll das Verkehrsaufkommen reduzieren, aber durch den pünktlichen und schnellen Ausbau von Nahverkehrsmitteln setzen sich nur noch die wenigstens selbst ans Steuer.
Wohlstand wird nicht mehr nur anhand von Einkommensgrößen, Jahresumsätzen und Exportbilanzen bemessen, sondern am Glück der Bevölkerung. Ziel ist jetzt, ein besonders hohes Nettoglück zu erreichen.
Nachhaltige Kreisläufe in der Landwirtschaft machen das Essen gesünder
Strenge Auflagen für Landwirtschaftsbetriebe revolutionieren die Landwirtschaft. Es ist die größte Reform seit der Sesshaftwerdung der Menschheit. Durch den Verbot von Glyphosat und die Förderung von Kreislaufwirtschaft ist das Ende der Monokulturen schon einige Jahre her. Die Mutterböden erholen sich langsam, die Artenvielfalt wird gefördert. Als Klimaanpassung ist eine Beschränkung des Wasserverbrauchs notwendig, daher stellen die Betrieben hitzeresistente Arten um.
Durch die Regulierung des Fleischkonsums und der Einführung eines wöchentlichen „Meaty Day“ in Kantinen und Restaurants ist die Nachfrage für Lebensmittel für Mastbetriebe eingebrochen. Die Flächen werden für die Ernährung der Bevölkerung genutzt, die Nachfrage nach gesunden, ökologischen Lebensmitteln steigt und wird kommunal durch Solidarische Landwirtschaften abgedeckt.
Solidarische Landwirtschaften können die Versorgung ortsnah herstellen, feste Abnehmer:innen garantieren ihnen die Abnahme und verhindern einen Preisdruck. Marketing und Werbung entfällt, weshalb sich die Verbraucher:innen preiswerte chemikalienfreie, regionale und saisonale ökologische Lebensmitteln leisten können. Hausverwaltungen kooperieren mit den SoLaWis, viele Bürger:innen beteiligen sich.
Unternehmen zahlen für Mikroplastik
Verpackungsreformen verlangen von Hersteller:innen, dass sie zu jedem Produkt einen geschlossenen Ressourcenkreislauf garantieren können. Seitdem liegen in jedem Bad Shampoo, Deo und Zahnpaste in kleinen, wiederverwendbaren Metalldosen.
Die Pro-Kopf-Müllmenge hat sich innerhalb weniger Jahre halbiert, seit Hersteller:innen auch für die Mikroplastikbelastung im Grundwasser aufkommen müssen und kaum jemand noch Plastikverpackungen produziert.
Wohlstand wird nicht mehr nur anhand von Einkommensgrößen, Jahresumsätzen und Exportbilanzen bemessen, sondern am Glück der Bevölkerung. Ziel ist jetzt, ein besonders hohes Nettoglück zu erreichen.
Bezahlbarer Wohnraum, gesunde Klimaoasen, grüne Häuser revolutionieren die Städte
Städte werden zu klimaneutralen grünen Oasen: Neubauten haben Gründach- und Fassadenbegrünungspflicht. Isolationen und Dämmungen sind oberste Priorität bei Gebäuden. Um Energie zu sparen, gibt es Regelungen für Heizung und Kühlung in öffentlichen Gebäuden, Geschäften und Betrieben. Seitdem Häuser Feuermelder und eine zeitgemäße Isolation vorweisen müssen, laufen die Heizungen selten.
Die Quadratmeterpreise stabilisieren sich nach einer Wohnsitz-Reform. Eigentum ist nur in Ausnahmefällen möglich, wenn man nicht selbst drin wohnt. Das ist das Ende der Immobilienspekulation.
Familien finden wieder bezahlbaren Wohnraum, staatliche Fördermittel fördern inklusive und intergenerationelle Wohnkonzepte. Städte werden gerechter und sicherer, Rassismus, Fremden- und Queerfeindlichkeit ist endlich die Ausnahme und nicht die Regel.
Alle Straßenbäume werden mit dem Schwammstadt-Prinzip ausgestattet, einem Wasserspeicher aus Kies und Substrat sowie einer unterirdischen Verknüpfung von Wurzelgräben, die zum Schutz vor Starkregen dient.
Faire Bezahlung und eine gesunde Work-Life Balance
Der Arbeitsmarkt revolutioniert sich. Unternehmen müssen bundesweit eine positive Gemeinwohlbilanz aufweisen, was nach einem ersten Schock an den Aktienmärkten eine Umstrukturierung von emissionsintensiven Unternehmen zur Folge hat.
Die Arbeitszeiten reduzieren sich. Prioritäten werden neben der Arbeit auf Familie, Freund:innen und die eigenen Interessen verteilt. Zeit für sich selbst wird gesellschaftlich wichtiger angesehen, als Fleiß und Überarbeitung. Die Menschen haben Zeit sich zu engagieren, Klimaschutz steht ganz oben in der gesellschaftlichen Debatte.
Seitdem flache Hierarchien die Normalität einer Firmenstruktur sind und Chef:innen wie Mitarbeiter:innen gleichen Lohn bekommen sowie Gewinne unter allen fair aufgeteilt werden, schließt sich die soziale Schere zwischen Arm und Reich erstmals seit Beginn der Industrialisierung wieder.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen und eine gesetzliche 30-Stunde Woche lässt die Arbeitslosigkeit auf ein historisches Tief sinken. Das Lohnniveau steigt, eine faire Bezahlung aller ist greifbar. Die Menschen sind zufriedener, entspannter und glücklicher und genießen den Mehrwert, den die Zeit mit Kindern, Partner:innen und Familie bringt.
Das kaputte Gesundheitssystem erholt sich
Das Gesundheitssystem wird weniger belastet. Durch gesündere Ernährung, weniger Lärm- und Luftverschmutzung, geringeren Stress und mehr Quality Time mit Familie und Freunden geht es den Menschen körperlich und psychisch besser, sie werden weniger häufig krank. Das Gesundheitspersonal erholt sich, erstmals werden Berufe in dem Sektor wieder attraktiv.
Die Lage auf dem Gesundheits- und Bildungssektor verbessert sich, denn Berufe, die ein großen gesellschaftlichen Mehrwert und zugleich wenig Emissionen produzieren werden konsequent durch höhere Einkommen, bessere soziale Leistungen und Absicherungen aufgewertet (auch Carearbeit!).
Unternehmen müssen bundesweit eine positive Gemeinwohlbilanz aufweisen, was nach einem ersten Schock an den Aktienmärkten eine Umstrukturierung von emissionsintensiven Unternehmen zur Folge hat.
Schnelle, saubere, sichere Fahrradstädte
Öffentliche Verkehrsmittel werden zum beliebten Transportmittel Nummer 1. Der örtliche Nahverkehr wird drastisch ausgebaut, die Verkehrswende erfährt einen mega Booster. Wie in der Corona Pandemie die Digitalisierung, scheitern Bus und Bahn zuerst an den Herausforderungen, danach wird politisch und unternehmerisch alles nachgeholt, was in den letzten Dreißig Jahren verpasst wurde. Im Jahr 2035 läuft alles reibungslos.
Flughäfen werden für Urlaubsreisen stark reglementiert, berufliche Termine und Konferenzen werden Online abgehalten. Es gibt ein Flugverbot für Leerflüge, Kurzstreckenflüge und für Flüge unter einer gewissen Personenzahl.
Nach dem 25€ Ticket der Bahn und der erfolgreichen EU-Initiative zum Ausbau eines schnellen Nachtzugsystems ist die Nachfrage auf innereuropäischen Flugverbindungen aber sowieso eingebrochen.
Wenn wir die Klimakrise so behandeln würden, wie es notwendig ist, dann würde das Leben ökologischer, aber auch sozial gerechter und besser werden.
Zugreisen sind mit Arbeits- und Konferenzräumen, stabilem Internet sowie familienfreundliche Abteile mit Spiel- und Spaßbereichen für Kinder und bewegungseinladende Aktivabteile viel angenehmer.
Fahrradschnellstraßen in Städten sorgen mit intelligenten Ampeln, breiten Straßen und klare Beschilderung für ein schnelles Fortkommen in den Städten. Autos- und Busspuren sind separat, Verbrennungsmotoren wurden aus den Innenstädten jedoch verbannt. An den S-Bahnhöfen gibt es Fahrradparkhäuser, sodass man bei Regen schnell und unkompliziert auf die Öffis umsteigen kann.
Wer seinen Wohnort anmeldet, bekommt die Dauerkarte für Öffis automatisch zugestellt. Sie kosten pro Tag einen Euro, sind für Alleinerziehende und für Familien mit mehr als zwei Kindern kostenlos und gelten im gesamten Bundesland. Wer kein Ticket möchte, kann darauf verzichten, aber kaum jemand tut es, seit der Bahnverkehr ohne Verspätungen effektiv funktioniert.
Aus Verzicht wird Genuss: Die Mehrheit feiert die systemische Transformation
Die Maßnahmen und Regelungen klangen Anfang der 2020er Jahre erst einmal schrecklich und nach Verzicht, aber: Veränderungen in Landwirtschaft, Ernährung und Transport waren mit die effektivsten Mittel, um die Emissionen schnell und deutlich zu senken.
Hätten wir das nicht getan, müssten wir heute auf viel, viel mehr verzichten. Im schlimmsten Falle auf alles – können wir mal festhalten, dass Kriege um Wasser und Massenbevölkerungswanderungen wirklich schlimmer wären, als ein Tempolimit?
Nachdem das auch der Bevölkerung klar wurde, klangen die anfänglich heftigen Proteste und Diskussionen ab und Pro-Kopf-Verbrauch von Kohlendioxid sank innerhalb weniger Monate massiv. Haushalte konnten ihre Ökobilanz stark verbessern, klimaneutrale Kommunen bekamen bundesweite Aufmerksamkeit für ihre kreativen und innovativen Lösungen. Eine neue Identifikation mit dem Heimatort wuchs, der Hype zum Kauf von regionalen Produkten ist anhaltend. Reparieren, Teilen und Tauschen ist die neue Form des Konsums.
Fazit: Wenn wir die Klimakrise in den 2020er Jahren annehmen, sieht das Leben 2035 gut aus.
Ja, es gibt sie noch, die Leute die in gläsernen Türmen ihre 70 Wochenstunden arbeiten, durch die Welt jetten und ihre Freiheit in drei dicken Autos und leeren Räumen in riesigen Häusern sehen: Doch sie sind im Jahr 2035 eine kleine Minderheit.
Denn die Mehrheit der Menschen feiert die systemische Transformation. Sie genießt das Leben in grünen Städten, sauberer Luft und einer intakten Umwelt. Die Schäden, die die Ausbeutung der Ressourcen in den Jahrzehnten davor entstanden sind, sind noch nicht alle geheilt. Aber die Menschen wissen: Die notwendigen Klimaanpassungen für die nicht zu verhindernden 1,5 Grad Celsius haben wir im Griff, wir haben Millionen an Menschenleben gerettet und Massenflucht verhindert. Wir haben die Erderwärmung gestoppt.
Anregungen und Ideen für diesen Text aus:
“Vom Ende der Klimakrise” von Luisa Neubauer und Alexander Repenning.
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Mit Kindern über die Klimakrise sprechen?
Ja, aber richtig!
Wie das geht? Das habe ich in einem kurzweiligen, empowernden E-Book geschrieben.