Camping riecht nach Pinienwald und Sonnencreme, schmeckt nach Wassermelone und Gaskocherkaffee und fühlt sich nach pieksenden Steinen unter den Füßen und eiskaltem Wasser aus der Leitung an.
“Klingelingeling, klingelingeling!”, macht es vor unserem Zelt. “OH, meine neue Freundin! Ich muss los!”, das Kind stürmt zu seinem Fahrrad. Wir schauen auf das Crossaint, das gerade in den Mund wandern wollte und nun wieder am Teller liegt: “Und was ist mit Frühstück?” “…. Späääääter!”, hallt es aus der Ferne.
Runde um Runde Fahrradfahren, frei sein, jeden Tag neue Freund*innen finden. Tage, die so lang sind, bis auch der letzte Sonnenstrahl verschwunden ist – und die wichtigsten Programmpunkte Pool und Meer und natürlich Eis.
So wie für mein Kind heute war es für mich damals. Camping – das ultimative Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung als Kind.
Die besten Urlaube als Kind hatte ich am Lago di Lamar in Italien. An dem kleinen Bergsee gar nicht so weit vom Gardasee entfernt fanden wir jedes Jahr in den Pfingstferien eiskaltes, klares Bergwasser zum Schwimmen. Lago di Lamar war das Synonym für Tage, die scheinbar nie enden wollten, beste Erinnerung unserer kinderreichen Gruppe aus drei Regensburger Familien an lange Tafeln aus Campingtischen mit Zucker-Cornflakes, die es zuhause nie gab und das Radeln zum See durch kühle Wälder. Der Campingplatz war unser Safe Space, wir kannten uns aus, wussten wo die Toiletten sind, fanden den Weg zum kleinen Supermarkt, um das dritte Eis des Tages zu kaufen und waren mit unseren kleinen Rädern die schnellste Gang des Platzes. Wir waren grundsätzlich ziemlich verstaubt und verschwitzt, wir waren wahrscheinlich total laut und rücksichtslos auf Babyschlaf und Seniorenruhe, wir waren zu spät im Bett und zu früh wieder draußen – und wir waren ziemlich frei und sehr, sehr glücklich. Unsere Eltern hätten uns mit fancy Hotelurlaube wahrscheinlich niemals solch eine Freude machen können. Die Freiheit, die wir auf diesem Campingplatz erlebten, gibt es in keinem Hotelkomplex.
Mehr Mental Load, aber das Gefühl ist hängengeblieben
Irgendwie bin ich hängen geblieben an diesem Gefühl. Ich liebe die Atmosphäre, die Entschleunigung, das Froschkonzert am Abend und der Gang zum Waschhaus am Morgen. Das Zelt ist noch dasselbe wie damals, als ich Kind war, das Gefühl auch. Mehr geworden ist die Orga, der Sand, das Geräume. Aber das ist es wert.
Es fühlt sich noch fast so an wie damals. Auch wenn es heute ein bisschen gedämpft ist mit der ganzen Mental Load im Gepäck, dem Abzählen der Windeln vor der Abfahrt, dem Denken an Pullover für alle für kühle Morgende und kalte Abende, dem Schneidebrett, der Wäscheleine und den wieder mal vergessenen Streichhölzern. Aber wenn die zwei Boxen mit den – wirklich nur den allerwichtigsten – Küchenutensilien verpackt sind, an die Luftpumpe gedacht wurde und man kurz vor der Abfahrt vorsorglich doch noch einen zweiten Sonnenhut fürs Baby ins Auto wirft, dann ist die Vorfreude genauso groß wie als Kind. Und beim Betreten unseres Lieblingscampingplatzes zwischen den Bergen in Spanien, fällt der Alltag wie mit Knopfdruck von mir ab.
Wir sind campen, wir sind frei. Die Kinder laufen los, zum Spielplatz, zu den Geheimwege hinter den Waschhäusern und bekommen noch hinterhergerufen: “Aber nicht alleine ins Schwimmbad!” und dann sind sie auch schon weg. Ein paar Stunden später haben wir jegliches Zeitgefühl verloren. Eigentlich gäbe es hier sehr schöne Ausflugsziele – ein wunderbarer Stausee ist keine fünf Minuten entfernt. Doch eigentlich ist es sehr schön auf dem Campingplatz und jetzt wieder vom Käsebrot bis zur Wechselhose alles einpacken, die Kinder ins Auto verfrachten und wegfahren, erscheint in der Hauptsache unnötig. Wir bleiben.
Wir bleiben an der frischen Luft, kriechen Abends ins gemütliche Zelt und schlurfen mit dem Sonnenaufgang durch den Morgentau ins Waschhaus. Camping – man liebt es, oder man hasst es.